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Vestibularisschwannome (Akustikusneurinome)

80 bis 90% aller im Kleinhirnbrückenwinkel gelegenen Tumore sind Schwannome (Tumore der Nervenscheiden). Über zwei Drittel davon entfallen auf die Schwannome des N. vestibularis, die aus historischen Gründen noch immer allgemein als "Akustikusneurinome" bezeichnet werden.

In Deutschland treten jährlich mehr als 1.000 neue Akustikusneurinome auf. Etwa 5% der Tumoren wachsen beidseits im Rahmen der Neurofibromatose Typ II (NF-II) - einer erblichen Veränderung des Chromosoms 22. Die Erkrankung tritt mit einer Frequenz von 1/50000 Geburten auf.

Symptome

Bei den Vestibularisschwannomen steht die Hörminderung bei Weitem im Vordergrund. Weder der Zeitpunkt eines plötzlichen Hörverlustes ("Hörsturz") noch der Grad der anschließenden Restitution des Hörvermögens lässt sich mit den derzeit verfügbaren Methoden vorhersagen.

Ohrgeräusche (Tinnitus), Schwindel und Gleichgewichtsstörungen sind ebenfalls häufige Symptome. Obwohl der Nervus facialis (Motorischer Gesichtsnerv, 7. Hirnnerv) ebenso wie der tumortragende Nervus vestibulocochlearis (8. Hirnnerv) den inneren Gehörgang durchzieht, ist er wesentlich seltener betroffen. Gefühlsstörungen im Gesicht durch Druck auf den Nervus trigeminus (5. Hirnnerv) oder Schmerzen im Bereich des Ohres sind nicht selten.

Schluckstörungen und Heiserkeit, Gangstörungen und Lähmungen der Extremitäten betreffen fast ausschließlich ausgedehnte Tumore in späten Stadien. Häufiger geht eine Gangunsicherheit voraus, die durch Druck auf den Hirnstamm, manchmal aber auch durch eine Störung der Hirnwasserzirkulation ausgelöst wird.

 

Diagnostik

Kernspintomographie (MRT), Computertomographie (CT) und Hörtests (Audiometrie) gehören zur diagnostischen Routine.

Darüber hinaus kommen klinische Tests und apparative Untersuchungen wie die BERA (Elektrische Potenziale aus dem Hörsystem) zur Anwendung.

 

Möglichkeiten der Behandlung

Die drei Säulen des Managements der Erkrankung sind Beobachten (mittels MRT), Operieren und Bestrahlen. Alle drei Optionen kann man individuell auch kombinieren. Bei Patienten mit beidseitigen Akustikusneurinomen (Neurofibromatose Typ II) kann auch eine medikamentöse Behandlung (Bevacizumab) eine Zeitlang hilfreich sein.

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Mikrochirurgische Operation

Akustikusneurinome werden zunehmend frühzeitig operiert, weil in frühen Stadien die Chance der Erhaltung des Hörvermögens auf der betroffenen Seite höher ist.

 

Während der Operation werden die Funktionen der betroffenen Nerven kontinuierlich überwacht (Neuromonitoring).

Insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko oder wenn bereits auf der Gegenseite Taubheit besteht (vor allem bei NF-II Patienten), ist aber in diesem Stadium eine abwartende Haltung durchaus vertretbar.

Große, den Hirnstamm komprimierende Tumoren mit oder ohne Liquorzirkulationsstörung können eine neurochirurgische Notfallsituation darstellen.

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OP-Ergebnisse 

Eine komplette Tumorentfernung ist fast immer vertretbar, wenn der Operateur über ausreichende Erfahrung verfügt. Im Vordergrund steht heute die Erhaltung der Nervenfunktionen.

Unabhängig von der Tumorgröße kann der motorische Gesichtsnerv (Fazialis) heute durch erfahrene Operateure in 95% der Fälle erhalten werden. 

Oft entsteht nach der Operation v.a. größerer Tumoren eine zeitweise Lähmung der Gesichtsmuskulatur, die sich aber wieder gut zurückbilden kann.

Die Erhaltung des Hörvermögens hängt statistisch gesehen vom Ausgangsbefund vor der Operation und von der Tumorausdehnung ab. 

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Ein einseitiger Hörverlust lässt sich mit speziellen Hörgeräten und Hörprothesen ausgleichen.

Bei Cochlea Implantaten docken die Elektroden direkt an den Ursprung eines noch erhaltenen Hörnervs an.

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Bei Patienten mit beidseitigem Hörverlust (meist im Rahmen der Neurofibromatose Typ II) kann ein so genanntes "Auditorisches Hirnstammimplantat" (Auditory Brainstem Implant, ABI) eingesetzt werden. 

Die Hörprothese ermöglicht eine Orientierung bei Alltagsgeräuschen sowie eine Erleichterung des Lippenablesens, seltener auch ein freies Sprachverständnis.

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Radiochirurgie

Eine einzeitige stereotaktische Bestrahlung (z.B. Cyberknife, Gamma Knife, LINAC) kann das Tumorwachstum in den meisten Fällen stoppen. Die möglichen Nebenwirkungen bezüglich der beteiligten Nerven sind denen bei chirurgischem Vorgehen qualitativ ähnlich. Akustikusneurinome können durch diese Verfahren im Wachstum gehemmt, aber nicht entfernt werden. 

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