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Kleinhirn-Brücken-Winkel und Hintere Schädelgrube

Was bedeutet ein Krankheitsherd im Kleinhirnbrückenwinkel oder der hinteren Schädelgrube?

Schwindel und Hörminderung sind manchmal die ersten Zeichen eines zwischen Hirnstamm und Kleinhirn (Kleinhirnbrückenwinkel) gelegenen Krankheitsherdes. Auch Gesichtsschmerzen, eine Lähmung der Gesichtsmuskeln, Doppelbilder, Schluckstörungen und Heiserkeit können dadurch auftreten.

Die Tumoren, die ca. 8% der Neubildungen im Schädel ausmachen, bleiben dank der Kernspintomographie (MRT) und der Computertomographie (CT) und vor allem dank ihrer speziellen Symptomatik nur noch selten lange Zeit unentdeckt.

Das liegt an einer Besonderheit dieser Region: hier befinden sich auf engstem Raum die zentralen Anteile von 10 der insgesamt 12 Hirnnerven (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Blick in den linken Kleinhirnbrückenwinkel nach Entfernung eines Akustikusneurinoms. Rechts unter einem Spatel liegt das Kleinhirn. Die Stimulationspinzette liegt am Gesichtsnerv (N. facialis). Darüber sieht man auf den IV. und V. Hirnnerven und das Kleinhirnzelt, darunter auf den Hörnerven und die Gruppe der Schlucknerven. Links begrenzt das knöcherne Felsenbein mit dem inneren Gehörgang den Kleinhirnbrückenwinkel.

Die Symptome entsprechen häufig Funktionsausfällen der betroffenen Nerven:

  • Hörminderung

  • Ohrgeräusche (Tinnitus) 

  • Schwindel und Gangunsicherheit 

  • Schmerzen und Taubheitsgefühl im Gesicht oder äußeren Ohr 

  • Doppelbilder 

  • Schluckstörungen 

  • Heiserkeit

Trigeminusneuralgie (V. Hirnnerv) und Hemispasmus fazialis ("Fazialis-Tic", 7. Hirnnerv) sind die häufigsten Störungen, die durch Druck von Gefäßen auf den Nerven (Mikrovaskuläre Kompression) auftreten. Aber auch Schwindel, Tinnitus, Schiefhals oder Bluthochdruck können dadurch entstehen.

Der häufigste Tumor im Kleinhirnbrückenwinkel ist das Akustikusneurinom (Vestibularisschwannom) (siehe Abb. 2), welches bei Vorliegen einer genetischen Erkrankung - der Neurofibromatose - selten auch beidseits auftreten kann.

Größere Tumore können auch das Kanalsystem für die Ableitung des Hirnwassers (Ventrikelsystem) blockieren und so einen Stau der Hirnflüssigkeit (Hydrocephalus) verursachen. Durch Verdrängung des Hirnstamms und durch Verschluss des Hirnwassersystems entstehen Symptome wie Übelkeit, Unsicherheit beim Gehen, Störungen der Koordination, Kopfschmerz, extreme Müdigkeit und manchmal Lähmungen der Muskulatur.

Ohne Behandlung kann es zu dauerhaften Funktionsverlusten bis hin zu einer Schädigung der lebenswichtigen Zentren im Hirnstamm kommen.

Abb. 2: Akustikusneurinome (besser: Vestibularisschwannome) in verschiedenen Größenstadien. Die Tumoren reichen fast immer in den inneren Gehörgang, in dem Hörnerv, Gesichtsnerv und Gleichgewichtsnerv eng zusammen verlaufen. Größere Tumoren können den Hirnstamm erheblich verdrängen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

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Aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit von Krankheitsherden bestehen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten der Behandlung. Bei langsam wachsenden Tumoren besteht oft medizinisch kein unmittelbarer Zeitdruck und man kann Kontrolluntersuchungen abwarten. Manchmal werden abschwellende oder wachstumshemmende Medikamente eingesetzt. Gefäßreiche Krankheitsherde sind geeignet für eine Behandlung mit Kathetern (Embolisation). Die Strahlentherapie und die Radiochirurgie können bei manchen Tumoren sehr erfolgreich eingesetzt werden.

Grundsätzlich wird eine Operation zur Beseitigung des Krankheitsherdes angestrebt. Dies gilt insbesondere dann, wenn andere Behandlungen weniger wirksam sind, zu starke Nebenwirkungen hervorrufen oder die Diagnose in Frage steht. Das Ziel der Operation ist die Beseitigung der Ursache der vorhandenen und die Verhinderung oder Verzögerung des Auftretens neuer Beschwerden. Oft kann man verschiedene Behandlungsverfahren kombinieren.

Die Wahl der Operationsmethode richtet sich nach der Beschaffenheit und der Lage des Krankheitsprozesses. Der operative Zugang sollte so minimal wie möglich gestaltet werden. Dazu eignen sich besonders mikrochirurgische und endoskopische Verfahren, die manchmal zusammen eingesetzt werden. Navigationsgeräte unterstützen die exakte Operationsplanung. Unter dem Mikroskop kann der Operateur den Krankheitsprozess sehen. Mit speziellen Mikroinstrumenten, Ultraschallzertrümmerern, elektrischer Verödung und Verdampfung, Laser oder Saugkanülen können Tumore entfernt werden (siehe Abb. 3).

Abb. 3 Entfernung eines Tumors (Vestibularisschwannom) aus dem Kleinhirnbrückenwinkel mit einem Ultraschallsauggerät (CUSA).

Konflikte zwischen Hirnnerven und Gefäßen (Mikrovaskuläre Kompression) kann man beseitigen, indem man das störende Gefäß vom Nerven löst und in die entstandene Lücke Teflon®-Wolle oder ein Muskelstückchen einlegt, um einen erneuten Kontakt zu verhindern.

Gefäßfehlbildungen werden mit Titanclips verschlossen oder mit verschiedenen Materialien ummantelt.

Während einer Operation im Kleinhirnbrückenwinkel wird die Funktion der Nerven und des Hirnstamms durch Monitoring mit Elektroden überwacht (siehe Abb. 4).

Abb. 4 Elektrophysiologisches Monitoring der Funktion von Hörnerv, Gesichtsnerv und Hirnstamm während der Operation in Vollnarkose.

Der Film zeigt Gefäße im Kleinhirn-Brücken-Winkel unter dem Mikroskop. Zuvor wurde dem Patienten ein Fluoreszenzfarbstoff gespritzt, der unter dem Infrarotfilter des Mikroskops sichtbar wird und so die Durchblutung zeigen kann. Damit kann auch die Funktion der Gefäße während einer Operation überwacht werden.

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