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Trigeminusneuralgie

Bei der Trigeminusneuralgie schießen aus heiterem Himmel blitzartige Schmerzen in eine Gesichtshälfte ein. Manchmal passiert das ohne äußeren Anlass und kann so schmerzhaft und überraschend sein, dass der Betroffene für Sekunden wie gelähmt ist. Oft gibt es aber auch auslösende Faktoren – so genannte „Trigger“ – wie Kauen, Sprechen, Zähneputzen, Zugluft, Berührung im Gesicht. Die Schmerzen strahlen exakt in eines, zwei oder alle drei Territorien der Gesichtshälfte aus, die durch die Äste des Trigeminus, des fünften Hirnnerven, sensibel versorgt werden (s. Abb. 1).

Abb. 1: Häufigkeit der Lokalisation der Trigeminusneuralgie (nach Youmans). Nur sehr selten sind die Schmerzen im Stirnbereich lokalisiert, während der Unterkiefer in 2/3 der Fälle beteiligt ist.

Eine der Ursachen für die typische Trigeminusneuralgie ist ein kleines Gefäß, welches am Ursprung des Trigeminus am Hirnstamm diesen Nerven bedrängt (Abb. 2). Wenn die Diagnose sicher ist, dann ist die Zielrichtung der Behandlung eindeutig: die Ursache muss beseitigt werden. Dies gelingt durch eine Operation, bei der das Gefäß vom Nerven gelöst (Dekompression) und dauerhaft abgepolstert wird.

Professor Peter Janetta aus Pittsburgh hat dieses Verfahren bereits in den 1970er Jahren etabliert. Daher wird es heute vielerorts „Janetta-OP“ genannt. Die Ergebnisse hängen von mehreren Faktoren ab: unter anderem von der eindeutigen Diagnose (eine Abgrenzung zu atypischen Gesichtsschmerzen ist nicht immer eindeutig) und von der ausreichenden Dekompression des gesamten Nervenstamms in der Nähe des Hirnstamms. Ist beides gegeben, dann lag schon im vergangenen Jahrhundert die Heilungsrate bei über 90 Prozent. 

Abb. 2

Eine kleine Arterie im Kontakt zum Trigeminus löst über einen "Kurzschluss" die heftigen Schmerzen aus.

Seit dieser Zeit wurde die Methode weiter verbessert. Kernspintomografische Techniken (MRT) können die Gefäße nahe der Trigeminuswurzel vor der Behandlung darstellen. Im Gegensatz zum Operations-Mikroskop kann man mit dem Endoskop auch den Bereich um den Nerv direkt einsehen. Ganz wichtig sind verfeinerte elektrophysiologische Verfahren. Sie verhindern das früher sehr häufige Risiko, einen in der Nähe gelegenen Hörnerv zu schädigen und so eine Hörminderung hervorzurufen.

Das Team der Neurochirurgie im HELIOS Klinikum Erfurt hat ein solches Verfahren entwickelt. Dabei werden während der Operation Elektroden auf dem Trommelfell (Abb. 3) und am Hirnstamm (Abb. 4) platziert. Sie lassen eine Abschwächung der elektrischen Leitfähigkeit des Hörnervs innerhalb von Sekunden erkennen („Duales Nahfeld-Monitoring“). Der Operateur sieht die von diesen Elektroden abgeleiteten, im Vergleich zu den üblichen Fernfeld-Potenzialen sehr großen Potenziale (Abb. 5a) im Operationsmikroskop (Abb. 5b) und kann sofort darauf reagieren.

Abb. 3

Die Elektrode auf dem Trommelfell ist im Ohrhörer integriert.

Abb. 4

Mini-Kugel-Elektrode am Hirnstamm

Abb. 5a  Monitoring des Hörens mit Fern- und Nahfeldpotenzialen im Vergleich.

Abb. 5b Nahfeldpotenziale von der Hörbahn am  Hirnstamm während der OP in Narkose unter dem Mikroskop.

Neu ist auch der Einsatz von Endoskopen mit räumlicher, das heißt 3D-Sicht. Bereits 2014 im HELIOS Klinikum Erfurt bei Operationen am Trigeminus und am Hörnerv ein digitales Operationsmikroskop eingesetzt (Abb.5) . Dieses erzeugt keine Wärme. Daher entfällt das bei konventionellen Mikroskopen bestehende Risiko, die Nerven durch Wärme zu schädigen. Diese Operation war die erste ihrer Art in Deutschland.

Abb. 6 In Erfurt werden digitale 3D-Endoskope und Mikroskope eingesetzt.

Kann ein Patient mit einer typischen Trigeminusneuralgie aufgrund seines Alters, anderen Erkrankungen oder seiner persönlichen Entscheidung keine operative Behandlung unter Narkose erhalten, dann sind andere Behandlungsformen möglich. In Frage kommen etwa die medikamentöse Therapie mit Substanzen, welche die Schmerzleitung in den Nerven blockieren oder eine gezielte Bestrahlung der Trigeminuswurzel im Hirnstamm mit ionisierenden Strahlen („Radiochirurgie“ mit CyberKnife oder GammaKnife).

Auch bei einem Wiederauftreten der typischen Symptomatik kann man die operative Behandlung mit guten Erfolgen wiederholen. Das Gleiche gilt für die radiochirurgische Behandlung. Entscheidend für den Erfolg der hier beschriebenen Behandlung ist die Unterscheidung dieser typischen Erkrankung von anderen Formen der Trigeminusneuralgie. Für diese Formen des Gesichtsschmerzes kommen andere Behandlungsverfahren in Betracht. Der Nachweis einer Gefäßschlinge im Bereich der Trigeminuswurzel allein ist kein Beweis für das Vorliegen einer typischen Trigeminusneuralgie. Die Indikation zur Operation sollte daher ein erfahrener Arzt stellen.

 

Auch andere Erkrankungen können eine ihrer Ursachen in einem Konflikt zwischen Nerven und Gefäßen am Hirnstamm haben. Dazu gehören der Hemispasmus facialis, der Schiefhals (Torticollis), die Glossopharyngeus-Neuralgie, selten auch Schwindel und Tinnitus sowie ein Bluthochdruck. Die operative Behandlung ist ähnlich wie bei der Trigeminusneuralgie. Auch hier werden die neuen digitalen endoskopischen und mikroskopischen Verfahren in Verbindung mit dem elektrophysiologischen Monitoring erfolgreich eingesetzt.

Vergleich zwischen chirurgischer und radiochirurgischer Behandlung - Metaanalyse
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